Obwohl Katzen seit der Antike mit Menschen zusammenleben, haben sie ihre „wilde Seele“ behalten.
Jedes wilde Tier, welches Schmerzen anzeigt, ist anfällig für Angriffe. Daher macht es biologisch Sinn, dass Katzen ihre Schmerzen weitestgehend verstecken.
Katzen sind wesentlich zurückhaltender im Anzeigen ihrer Schmerzen als Hunde. In der Tiermedizin wurden Katze bedauerlicherweise Jahrzehnte wie „kleine Hunde“ behandelt. Dadurch wurde den Schmerzen von Katzen auch von Tierärzten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Erst durch die Weiterentwicklung der Tiermedizin wurde festgestellt, was heute selbstverständlich ist: Katzen brauchen eigene Medikamente, eigene Dosierungen und leiden unter anderen Krankheiten als Hunde.
Osteoarthrose
Viele Studien haben nachgewiesen, dass Katzen wesentlich stärker unter schmerzhaften, degenerativen Gelenkserkrankungen leiden als bisher angenommen.
In einer Studie aus den USA hatten 90% aller Katzen über 12 Jahre röntgenologische Hinweise auf Osteoarthrose. Am häufigsten betroffen waren die Ellenbogen, gefolgt von den Hüften, Knien und Schultern.
Wie bei jeder degenerativen Erkrankung spielt das Alter des Tieres eine Rolle, da das Ausmaß der Erkrankung mit der Zeit zunimmt. Durch die steigende Lebenserwartung unserer Stubentiger steigt somit auch die Anzahl der an Osteoarthrose erkrankten Katzen. Unbehandelt verschlimmert sich Osteoarthrose und führt zu Dauerschmerzen.
Katzen lieben den Panoramablick- betroffene Katzen springen weniger hoch und runter. Das Sprungbild wird nicht mehr „graziös“ ausgeführt, sondern wirkt plötzlich angestrengt.
Chronische Schmerzen sind üblicherweise noch schwerer festzustellen, da es bereits eine Anpassung von Besitzern und Katzen gegeben hat. Die Prozesse sind oft so schleichend, dass es den Familienmitgliedern nicht mehr auffällt. Katzen mit Schmerzen ziehen sich oft zurück und sind weniger verschmust. Manchmal schlafen und schnurren sie vermehrt.
Die Hauptveränderungen werden bei Katzen in der Bewegung ersichtlich. Hilfreich kann sein, sich alte Videos anzuschauen und nach Veränderungen bei den aktuellen Bewegungen zu suchen.
Ehemals agile Katzen liegen plötzlich herum. Das Hoch- und Herunterspringen wird vermieden, da es durch die schlagartige Gelenksbelastung besonders schmerzhaft ist. Das Verhalten am Kratzbaum oder an der Katzentoilette kann sich verändern. Beim Rennen wird aufgrund von Schmerzen die Geschwindigkeit verlangsamt und die Schritte wirken staksig. Beim Treppenlaufen bleiben betroffene Katzen oft auf Stufen sitzen bevor sie weiterlaufen oder sie nehmen jede Stufe einzeln, statt flüssig hoch- oder herunter zu springen.
Anhaltende schlechte Laune kann auch ein Hinweis auf andauernde Schmerzen sein. Ehemals verschmuste Katzen sind plötzlich grantig und wollen ihre Ruhe haben. Wenn Katzen ihre Krallen vor Schmerzen nicht mehr abwetzen können, dann können diese so lang wachsen, dass diese sogar in ihre Ballen hineinwachsen.
Die Familie meint, dass die Katze „einfach nur alt“ ist und glaubt, normale Alterungsprozesse zu sehen. Doch es handelt sich oft um behandelbare Schmerzen, welche die Lebensqualität des Tieres deutlich einschränken.
Bei entsprechenden Hinweisen suchen Sie einen orthopädischen Spezialisten auf.
Zahnschmerzen
Katzenzähne und Menschenzähne unterscheiden sich optisch stark. Die Innervierung und somit das potentielle Schmerzempfinden ist aber ähnlich. Man kann also davon ausgehen, dass Katzen Zahnschmerzen ähnlich empfinden wie wir.
Die Pfeile zeigen auf Löcher in den Zähnen hin. Diese wurden durch schmerzhafte resorptive Läsionen (oft auch als FORL bezeichnet) verursacht. Diese Katzen haben, trotz Schmerzen, weiter gefressen.
Hinweise auf Zahnschmerzen sind:
- Vermindertes Putzverhalten. Oft einhergehend mit verklebtem Speichel am Kinn und an den Vorderbeinen.
- Verändertes Fressverhalten. Oftmals reiben sich die Katzen ihr Gesicht während oder nach dem Fressen. Die Mahlzeit wird manchmal unterbrochen oder die Katze läuft plötzlich vom Napf weg. In manchen Fällen werden Futterbrocken fallengelassen oder die Katze schüttelt beim Fressen wiederholt der Kopf . Handelt es sich um einen einseitigen Zahnbefund, dann fressen Katzen „schief“, also einseitig. Manche Katzen schreien beim Fressen.
- Unwillen am Kopf gestreichelt zu werden, obwohl Ihre Katze dies früher genossen hat. Teilweise werden Besitzer dabei sogar angefaucht oder gekratzt.
- Schleckiges Fressen. Manche Katzen sind von Natur aus „schleckig“ und waren es schon immer. Möchte Ihre Katze aber urplötzlich wiederholt wechselndes Futter, können Zahnschmerzen die Ursache sein. Ein Wechsel der Vorliebe für Nass- auf Trockenfutter kann auch auf eine Zahnkrankheit deuten, denn Nassfutter bleibt an offenen Stellen leichter kleben und kann Schmerzen verstärken. Trockenfutter hingegen kann unzerkaut geschluckt werden. Einige dieser Katzen haben kein Zahnproblem, sondern Bauchschmerzen. Bei Ihnen liegt gegebenenfalls eine Magen-Darmerkrankung vor.
- Optisch erkennbare Veränderungen im Maul, wie stark wucherndes, rotes Zahnfleisch, ausgeprägter Mundgeruch, blutiger Speichel oder abgebrochene Zähne.
Bei entsprechenden Hinweisen suchen Sie einen Zahnspezialisten auf.
Videos mit freundlicher Genehmigung von meinen Kollegen Jessy M. und Maybritt van de Berg. Die Katzen mit Zahnschmerzen kamen vom Tierschutz. Diese wurden erstmal gepäppelt und haben später eine Zahnbehandlung erhalten.
Grundsätzliche Schmerzen erkennen
Kanadische Wissenschaftler haben einen einfachen Weg gefunden, um akute Schmerzen bei Katzen zu erkennen. Man kann es ihnen wörtlich vom Gesicht ablesen.
Ziel der Wissenschaftler war es, eine Katzen-Schmerz-Skala für tiermedizinisches Personal zu entwickeln. Diese dient der Abschätzung ob die gegebene Schmerzmittelmenge ausreichend ist. Die Skala kann aber auch von Besitzern angewendet werden.
Eine vereinfachte Darstellung vom FGS (Feline Grimace Scale). Von links nach rechts schmerzfrei bis deutlich schmerzhaft. Je mehr Schmerzen eine Katze empfindet, desto mehr flachen Ohren und Augen nach unten ab. Im Gegensatz dazu, werden bei Schmerzen die Schnurrhaare nach oben gestellt. Verwechseln Sie Bild 3 nicht mit Ihrer schlafenden Katze. Der Unterschied liegt hier in der Körperhaltung.
Von links nach rechts schmerzfrei bis deutlich schmerzhaft. Eine schmerzhafte Katze ist körperlich angespannt und zeigt üblicherweise eine geduckte Haltung. Ist der Schmerz allerdings im Bauchbereich sitzen Katzen häufig aufgekrümmt. Es zählt immer der Gesamteindruck. Das "Schmerzgesicht" oder die Körperhaltung kann kurzzeitig geändert werden, weil die Katze beispielsweise erschreckt wird.
Grundsätzlich gibt es bestimmte Rassen, wie z.B. Perserkatzen, welche aufgrund Ihrer abgeflachten Gesichtsform weniger ausgeprägte Mimik bei Schmerzen zeigen. Auch
kann die Fellfarbe die Auswertung erschweren (Flecken im Gesicht oder sehr dunkle Fellfärbung).
Schmerzen nach OPs müssen nicht sein!
Besonders wichtig ist es, dass Sie Schmerzen nach einem operativen Eingriff erkennen können. Keine Katze sollte leiden, weil ihre Schmerzen unerkannt bleiben!
Jede Katze ist ein Individuum und manche Katzen verspüren schneller Schmerzen als andere. Nur weil eine Ihrer Katzen einen Eingriff problemlos überstanden hat, heißt das nicht, dass Ihre andere Katze gleich reagieren wird. Manche Katzen bewegen sich nach einer OP zu viel und können somit die OP-Stelle strapazieren. Durch die unnötige Belastung kann diese dann plötzlich schmerzhaft werden.
Es ist normal, dass Katzen nach einer Narkose müde oder „durch den Wind“ sind.
Schmerzen sollten aber nicht sein! Entdecken Sie bei Ihrer Katze Anzeichen von Schmerzen nach einer Operation, teilen Sie dies Ihrem Tierarzt mit. Manche Besitzer befürchten, dass Schmerzmittel die Nieren schädigen könnten. Es gibt aber Schmerzmittel, welche die Niere nicht belasten. Andere befürchten, dass Schmerzmittel ihr Tier grundsätzlich belasteten. Äußern Sie Ihrem Tierarzt gegenüber ehrlich sämtliche Bedenken.
Erleidet Ihre Katze nach einem Eingriff starke Schmerzen, kann der Heilungsprozess verlangsamt werden und der Eingriff wird tatsächlich zu einer Belastung.
Beide Bilder zeigen eine weibliche Katze einen Tag nach einer „Standardkastration“. Die linke Katze hat ein deutliches Schmerzgesicht sowie einen gekrümmten Rücken. Die Ohren wurden hierbei nur kurz aufgestellt, weil die Besitzerin die Katze angesprochen hat. Die rechte Katze ist eindeutig entspannt und schmerzfrei. Die linke Katze hat sich Zuhause versteift und konnte sich nicht zum Schlafen hinlegen, während die rechte Katze bereits sehr mobil war und vom Unfug abgehalten werden musste. Die Schmerzabdeckung von der linken Katze war also unzureichend. In so einem Fall müssen ergänzend Schmerzmittel verabreicht werden.
Was können Sie tun?
Erkennen Sie Anzeichen von Schmerzen bei Ihrer Katze, dann kontaktieren Sie Ihren Tierarzt. Eigenmächtige Behandlungen mit menschlichen Schmerzmitteln können zu dramatischen Vergiftungen führen. Im schlimmsten Fall auch zum Tod.
Unabhängig vom Alter hat jede Katze ein Anrecht auf ein möglichst schmerz- und beschwerdefreies Leben.
Sollten Sie nach einer Operation erkennen, dass Ihre Katze deutliche Zeichen von Schmerzen hat, dann reden Sie mit Ihrem Tierarzt. Akut wird Ihrer Katze damit geholfen und es sollte in der Krankenakte vermerkt werden. Somit kann bei möglichen zukünftigen Eingriffen die Schmerzmedikation Ihrer Katze angepasst werden.
In unklaren Fällen können Sie mit Ihrem Haustierarzt besprechen, inwiefern es Sinn macht, probeweise Schmerzmittel zu geben, um zu schauen, ob dies zu Veränderungen führt.
Zusammenfassend:
*Evangelista, M.C., Watanabe, R., Leung, V.S.Y., Monteiore, B.P., O’Toole, E., Pang, D.S.J., Steagall, P.V. ; Facial expressions of pain in cats: the development and validation of a Feline Grimace Scale. Sci Rep 9, 19128 (2019). https://doi.org/10.1038/s41598-019-55693-8 ). Siehe auch die FGS Webseite (http://www.felinegrimacescale.com ).
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© Alexandra Hodeau, Tierärztin